JOURNAL

WARUM DIE ZEICHEN DER MODE AUF RELIGION STEHEN


Met Gala 2018

Rihanna als Päpstin, Kate Perry mit überdimensionalen, opulenten Flügeln und Sarah Jessica Parker, die sich modisch als Königin selbst krönte. Himmlische Körper – „Heavenly Bodies: Fashion and the Catholic Imagination“ lautete das Motto der Gala und gleichzeitig auch der Ausstellung, um die es eigentlich bei dem prominenten Event geht.

Sonnengöttin, Engel, moderne Nonnen – die Designeroutfits der geladenen Gäste waren teilweise ziemlich exzentrisch und opulent, obwohl die Kleiderordnung lediglich ‚Sunday best‘ lautete und damit auch deutlich ruhiger hätte ausfallen können.

Im Nachhinein sollte man erwähnen, dass Ausstellung im Costume Institute des Metropolitan Museum of Art die bisher meistbesuchte der jährlichen Ausgaben war. Die Erlöse der Met Gala fließen in das Kostüminstitut, da es sich selbst finanzieren muss. Die zunächst mit Skepsis betrachtete Ausstellung zeigte mit Unterstützung des Vatikans 40 päpstliche Gewänder und Accessoires aus der Sakristei der sixtinischen Kapelle, von denen viele außerhalb des Vatikans nie zuvor zu sehen waren. Modekreationen vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart – stammend aus Häusern wie Chanel, Dolce & Gabbana, Galliano, Jean Paul Gaultier, Balenciaga und Co. ergänzten diese Auswahl mit unterschiedlichen kreativen Perspektiven auf das kontroverse Thema. 

Mode und Religion sind seit langem miteinander verwoben, inspirieren sich gegenseitig und informieren sich gegenseitig, obwohl diese Beziehung komplex und manchmal umstritten war und einige der einfallsreichsten und innovativsten Kreationen der Modegeschichte hervorgebracht hat “, sagte der verantwortliche Kurator Andrew Bolton des Kostüminstituts von MET. Mode sei ein zentrales Merkmal bei Diskussionen über Religion, da sie sowohl religiöse Zugehörigkeit als auch religiöse Unterschiede bekräftige.

Dafür, dass Religion in der High Fashion immer wieder thematisiert wurde, gibt es zahlreiche Beispiele, die prominentesten sind wohl Dolce & Gabbana, die 2013 Mosaike aus der sizilianischen Kathedrale von Monreale aufgriffen und 2016 eine Bibel-inspirierte Kollektion zeigten, Christian Lacroix und seine Haute Couture Kollektion 2009/10 und Riccardo Tisci mit seiner Menswear Kollektion für Givenchy im Sommer 2013, bei der er Bilder der Jungfrau Maria aufgriff.

JESUS IN DENIM

Die Verbindung aus Religion und Mode war schon immer spannungsgeladen und empfindlich, denn hier können fundamentale Werte und Ansichten aufeinanderprallen. Religiöse Symbole und vor allem wie sie von Designern und Prominenten eingesetzt wurden und werden, polarisieren, sorgen für starke positive, oder negative Emotionen und in jedem Fall für Aufmerksamkeit. Religion und Spiritualität beschäftigen Künstler und kreative Schaffende schon immer, denn gibt eine unzertrennliche Beziehung zwischen Gesellschaft, Kleidung, Religion und Kultur – unabhängig davon auf welchem Teil der Erde wir uns befinden. Die Zugehörigkeit zu einer Religion wird auch heute noch – je nachdem wie sehr das Individuum seine religiöse Identität sichtbar machen möchte – nonverbal über die Kleidung kommuniziert. Und gerade aus diesem Grund ist das Thema sehr sensibel. Letztes Jahr bekam laut Spiegel eine litauische Modefirma vor dem europäischen Gerichtshof das Recht ihre im Jahr 2012 gelaunchte Werbekampagne mit Models, die wie Jesus und Maria aussahen, zu veröffentlichen, nachdem diese zunächst verboten worden war. Der tätowierte Jesus in stylisher Denim wurde zuvor als unethisch empfunden und habe religiöse Gefühle verletzt – die katholischen Bischöfe des Landes waren der Ansicht die Kampagne missbrauche christliche Symbole für Werbezwecke. Das Gericht sah das anders. Der Vorwurf kam nicht ohne Grund, denn viele Menschen empfinden das Nutzen und Tragen von religiösen Symbolen aus modischen Gründen als respektlos.

LI EDELKOORT’S ‚ERLEUCHTUNG‘

Anfang 2019 meldet sich die für die Modebranche wichtigste Trendforscherin Li Edelkoort zu Wort und erklärte Religionen unter dem Motto ‚Erleuchtung’ zu den Impulsgebern für die kommende Saison. Gesellschaftliche Konflikte zwischen Generationen, Geschlechtern, Rassen und Schichten bestimmen unsere Zeit und durch den Verlust der Religionen sei das Erleben von Gemeinschaft und das Leben in Gemeinschaften ebenfalls verloren gegangen. Die entstandene Leere wird zwar gefüllt, aber bislang nicht mit spirituellen Inhalten und einem Fokus auf Konzentration. Die Zukunft sieht anders aus. Menschliches Wohlergehen und Formen einer spirituellen Wirtschaft – weg vom Materialistischen und vom Besitz hin zu innerem Wachstum – prognostiziert die Trendforscherin. Die Mode spiegelt diese Entwicklung bereits jetzt wider. Einflüsse, Prinzipien und Gestaltungselemente aus Askese, Meditation, Shakertum, Papsttum, Kamasutra, Vodoo und keltischen Religionen beeinflussen neue Designs und Silhouetten.

Religiös, oder spirituell motivierte Bekleidung ist dann besonders interessant, wenn sie ein Kann aber kein Muss ist und auf einer freien und persönlichen Entscheidung fußt. Dafür sind die Voraussetzungen in unserer maximal individualisierten Gesellschaft, die im Bezug auf Mode alle Freiheiten genießt und sich schon seit Jahrzehnten von religiös motivierten Bekleidungsregeln befreit hat, mehr als gegeben. Eine Veränderung der Denkweise, wie Li Edelkoort sie vermittelt, könnte auch einen wichtigen Schritt aus der oft bemängelten Bedeutungslosigkeit im Umgang mit Mode nach sich ziehen. Denn meistens lässt sich von der Bekleidung heute nicht mehr auf die Haltung des Trägers schließen. Nach dem großen Thema der Diversität berücksichtigt die Modeindustrie inzwischen auch Religionen mit Bekleidungsnormen, wie den Islam und spricht diese auch gezielt – (sicherlich auch, um Umsätze zu generieren) mit Hijab Kollektionen, Modest Fashion, Halal Couture & Ramadan Collections & Co. – an. Bahnbrechend ist sicherlich der Schritt, den das Magazin Sports Illustrated mit seiner vor wenigen Tagen erschienenen Bademoden Ausgabe geht: Das muslimische Model Halima Arden wird dort sowohl im Burkini, als auch mit Kopftuch gezeigt. Die Sports Illustrated hatte zuvor auch schon Plus Size Model Ashley Graham auf den Titel gebracht und damit für Diskussionen gesorgt.

Discover more